post Kategorie: Spirit of the Game post Kommentar (1) post24. Oktober 2013

RP-21-10-13_Verpasstes-FairplayAnlässlich des „Phantomtors“ in der 1. Fußball-Bundesliga ist viel gesagt und geschrieben worden. Die Debatte dreht sich um die „Hintertor-Technologie“, um Tatsachenentscheidungen des Schiedsrichters, um die Rolle der Fifa und um Fairplay. In der Rheinischen Post hat Martin Beils in einem Essay die Herkunft des Wortes und die Bedeutung für den Sport thematisiert. Ein nicht erzieltes Tor „um der Gerechtigkeit willen zu verschenken“, bezeichnet er als „vielleicht naiv“, aber „nicht utopisch“. Zustimmung!

Der Autor datiert das erstmalige Auftauchen des Wortes „Fairness“ auf 1597, im Historiendrama „König Johann“ von William Shakespeare. Im viktorianischen England des 19. Jahrhunderts habe das Wort seine Bedeutung „als ungeschriebenes Gesetz und moralische Kategorie“ erhalten. Er bezieht sich auf den Berliner Sportphilosophen Gunter Gebauer, der damit das freiwillige Sich-Unterwerfen unter Regeln, die Achtung des Gegners im sportlichen Wettkampf und das Herstellen einer Chancengleichheit verbunden sieht.

Im Weiteren zitiert er andere berühmte Persönlichkeiten und Organe, die den Fairplay-Gedanken bemühen, wie den früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker oder das Internationale Fairplay-Komitee der Unesco: „Fair verhält sich derjenige Sportler, der vom anderen her denkt.“ Mit diesen Vorgaben:

Ehrlichkeit-Freunde– Freiwillige Selbstkontrolle
– Respekt vor dem Gegner und
– Berücksichtigen seiner Sichtweise

sind die Grundelemente des Teamsports Ultimate Frisbee treffend beschrieben. Der Frisbeesport beruft sich auf den so genannten „Spirit of the Game“, der im Paragrafen 1 des umfangreichen Regelwerks ausführlich und unter Angabe konkreter Handlungsanweisungen beschrieben ist. Dort steht ein weiteres Element festgeschrieben, das in der Diskussion um das „Phantomtor von Hoffenheim“ bisher nicht explizit beleuchtet wurde: die Verpflichtung zur Ehrlichkeit bzw. zur Wahrheitsliebe.

Spirit-of-the-Game_SchriftzugIn der Formulierung einer „moralischen Kategorie“ lässt sich das (nach einem religiösen Gebot klingende) „Du sollst nicht lügen!“ mitdenken. Doch im Paragrafen 1 des Ultimate-Regelwerks steht, dass die Spieler dazu verpflichtet sind, Situationen möglichst kurz und ihrer Sichtweise gemäß darzustellen. Hintergrund beim Ultimate ist, dass es in diesem Teamsport auch unter leistungsorientierten Bedingungen wie bei Deutschen, Europa- oder Weltmeisterschaften keine externen Schiedsrichter gibt.

Vielmehr treten hier die Spieler selbst als Schiedsrichter auf, d.h. sie sind gefordert, in einer strittigen Situation, an der sie direkt beteiligt sind, den Mund aufzumachen und – durch diesen Zwischenruf oder so genanten „Call“ – in einer festgelegten Ultimate-Icon_weiß-auf-blauVerfahrensweise eine Fortführung des Spiels herzustellen. In den Regeln bestimmt ist diese Methode, die von den Spielern Regelkenntnis verlangt, um urteilen zu können (laut dem Weltverband des Frisbeesports vergleichbar wenigstens mit der Regelkenntnis von Schiedsrichtern auf Regionalliga-Niveau).

Damit landen wir wiederum bei einem Zitat eines berühmten Mannes. Johann Wolfgang von Goethe beendete sein „Sonett“ mit der Zeile: „Und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben!“ Was ursprünglich auf das Gemeinwesen im Staat bezogen ist, findet hier in der konkreten sportlichen Spielsituation seine konkrete Ausprägung. Am Rande sei erwähnt: Es gibt nur fünf Sportarten, die Fairplay in ihren Regeln festgeschrieben haben, das sind im Weiteren Golf, Tischtennis, Boule und Tschouk-Ball.

Nur im Ultimate aber ist das Fairplay mit klaren Handlungsanweisungen verbunden, wie wir mit strittigen Situationen umgehen können, „damit es weiter gehen kann“: Die daran beteiligten Sportler tauschen einmal ihre Meinung aus. Können sie sich auf keine gemeinsame Sichtweise einigen, geht die Frisbeescheibe zurück zum vorigen Werfer. Ein kleiner Auszug aus einigen der Anweisungen in den Ultimate-Regeln: Spieler müssen „1.3.2. objektiv sein; 1.3.3. die Wahrheit sagen“. Weiter heißt es, „unter allen Umständen unterbleiben“ hingegen sollen „ 1.6.2. absichtliche Regelverletzungen“.

SOTG-TagesheetMehr noch: „1.5.1. Wenn ein Mannschaftskamerad einen falschen oder unnötigen Call gemacht hat oder eine Regel verletzt hat, soll man ihn darüber informieren.“ Das wäre im Falle des Phantomtors in Hoffenheim die Aufgabe des Leverkusener Mitspielers mit dem direkten Blick zum Tor gewesen. Abschließend: Um die Sichtweise des gegnerischen Teams besser zu verstehen, bewerten sich bei Ultimate-Meisterschaften nach jedem Spiel beide Teams gegenseitig, inwieweit sie die Vorgaben des „Spirit of the Game“ befolgt haben.

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#1

[…] zur Klärung aller Vorwürfe seine Ämter ruhen zu lassen, sicherlich ehrenhaft. Ich verweise hier noch einmal auf das Zitat des Internationalen Fairplay-Komitees der Unesco: „Fair verhält sich derjenige […]

Ehre, sofern sie gebührt | Reizwort geschrieben am 7. November 2013 - 08:53
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