Im vorigen Eintrag hatte ich über die Entwicklung des deutschen Frauen-Ultimates auf Basis von Sara Wickströms Post auf der belgischen Seite Get Horizontal berichtet. Bereits zuvor hatte der deutsche Open Ultimate-Nationaltrainer Stefan Rekitt (rechts im Bild neben Ben Wiggins) ebendort einen Abriss der Entwicklung des deutschen Open-Ultimates gegeben.
Stefan nimmt drei Erfolgserlebnisse der vergangenen Jahre als Ausgangspunkt seiner Überlegungen: Die Goldmedaille der deutschen U20-Junioren 2007 in Southampton, die Bronze-Medaille des deutschen Open-Nationalteams aka „Inside Rakete“ bei der EM 2011 in Maribor und dir Bronze-Medaille des Clubteams „Bad Skid“ bei der Club-EM im Vorjahr in Bordeaux.
Bereits zuvor gab es schöne Erfolge, wie die Bronze-Medaillen bei den EMs 1991, 1995 und 1997 sowie das Erreichen des Halbfinals bei der Heim-WM 2000 in Heilbronn. Auf Clubebene war es aber nur einmal „Mir san mir“ München, das bei der Club-EM 1994 ebenfalls einen (geteilten) dritten Platz errang. Spätestens nach dem Milleniumswechsel jedoch hatte sich die sogenannte deutsche Offense ins Abseits gespielt. Das strategische Spielverständnis der Deutschen war zuvor vielleicht überlegen, nicht aber ihre athletische Verfassung.
Das Gold der Junioren in Großbritannien, mit dem die Ära der schwedischen Dominanz vorerst beendet wurde, führt er auf das Jugendprogramm in und um Heilbronn zurück. In der Folge gewannen deutsche Junioren- (und Juniorinnen-) Teams bereits einige Gold- und Silbermedaillen, wie zuletzt im Vorjahr bei der Junioren-EM in Köln mit dreimal Gold und einmal Silber.
Das Jugendprogramm in Deutschland sieht er auf einem guten Weg, insbesondere, wenn sich ehemalige Junioren bereits früh auch als Trainer des Nachwuchses einsetzen. Stefan spielte selbst als Junior und als Erwachsener in den deutschen Ultimate-Nationalteams und coachte lange Jahre die deutschen Junioren, mit denen er 1996 WM-Silber errang, eher er das Training des Open-Nationalteam übernahm, das er bis jetzt leitet.
Als weitere Elemente der Entwicklung erwähnt er das im Vorjahr gestartete Ausbildungsprogramm des Deutschen Frisbeesport-Verbands (mit dem Ziel des Erwerbs der C-Lizenz Ultimate) und das erste von ihm initiierte Trainertreffen in diesem Januar. Inzwischen sind rund die Hälfte der aktuellen Nationalspieler des erweiterten Kaders ehemalige oder noch Junioren-Nationalspieler. Viele Trainingscamps der verschiedenen Altersklassen laufen gemeinsam ab.
Neben dem Umbruch in der Spielerzusammensetzung (bei der EM 2007 waren nur sieben international erfahrene Spieler im Kader) legte das Führungsteam drei Hauptarbeitsziele fest: die individuelle Spielqualität auf das international höchste Level zu heben, Nachwuchsspieler, vor allem aus dem Kreis der Juniorennationalspieler ans Team heranzuführen und die Spielqualität der deutschen Clubteams zu erhöhen, um bei den Trainings, Deutschen Meisterschaften und internationalen Turnieren bessere Ergebnisse zu erzielen.
Das Team wird (wie bei den Frauen) alljährlich zusammengeführt, um Trainingslager und internationale Turniere wie in Göteborg, Kopenhagen, Amsterdam, London und sogar beim Paganello zu spielen. Dabei kommen jeweils bis zu 50 Prozent neue Spieler zum Einsatz. Zudem wird das Trainingsniveau permanent durch das Hinzuziehen externer Trainer und Berater verbessert. Insbesondere nennt Stefan Ben Wiggins, der 2012 zur Durchführung eines Trainingscamps nach München eingeladen wurde. Anschließend erhielt der Nationalspieler Philipp Haas aus Stuttgart (Foto) die Gelegenheit bei der NexGen-Tour mitzuspielen.
Stefan führte eine Art Praktikum bei Josh McCarthy von Boston “Ironside” durch, um mit den Steigerungen des Teams Schritt zu halten. Ben Wiggins und Josh McCarthy halfen bei der Vermittlung von Philipp Haas an das US Club Team “Truck Stop” für die Saison 2013. Über diese Leute wurde auch der Kontakt zum Ultimate-Fitnesscoach Tim Morrill hergestellt, der schon seit zwei Jahren mit dem Boston-Team zusammenarbeitete. Erst vor wenigen Wochen fand in der Folge ein Morrill-Camp mit 50 Spielern des erweiterten Kaders statt, der insgesamt derzeit 66 Spieler umfasst. Entsprechend ist die Verbesserung der athletischen Fähigkeiten der Spieler in den Mittelpunkt der Weiterentwicklung des Programms gerückt.
Bis Ende des Jahres soll der Kader auf etwa 40 Personen reduziert werden, die in den kommenden beiden Jahren gemeinsam vor allem an detaillierten teamstrategischen Fragen arbeiten werden. Daraus werden die Kader für die EUC 2015 und die WUGC 2016 zusammengestellt.
Anschließend widmet sich Stefan dem Höhenflug von „Bad Skid“, das er primär aus dem Jugendprogramm im Raum Heilbronn und dem Wunsch nach permanenter Verbesserung erläutert. Das Team wurde 2007 von zehn der 17 Spieler des Junioren-Goldteams aus Southampton gegründet, von denen heute noch acht mitsielen. Das Team rekrutiert sich aus fünf Teams in der Region. Stefan erklärt den Wendepunkt des Teams, als 2010 Holger Beuttenmüller die Kontrolle übernommen hat. Drei deutsche Meisterschaften nacheinander ab 2011 folgten, ebenso wie die Plätze 5 und zuletzt 3 beim europäischen Clubmeisterschaftsfinalturnier. 2013 spielten sie auch auf der UK Tour in London und standen im Finale des Windmill Windup in Amsterdam.
Passend dazu die Top 10 Spielmomente des Open-Finals des letztjährigen Windmill Windup, bei dem „Bad Skid“ auf das US-Team „Chiniya Rada“ traf und in einer hochklassigen Partie zuletzt knapp unterlag.
Bezogen auf die Zukunft von Inside Rakete hat Stefan jüngst mit einem der besten Trainer Europas Sion “Brummie” Scone gesprochen, der das GB Open-Team von 2010 bis 2012, sowie das GB World Games-Team 2013 trainiert hat. Er lobt die herausragende Ausbildung der deutschen Handler, mit exzellenten Würfen, klarem Denken und schon im jungen Alter mit starken Entscheidung unter Druck. Demgegenüber bemängelt er noch die mangelnde Tiefe des deutschen Kaders und das Fehlen so genannter „Monster-Athleten“. Zuletzt würde das deutsche Team zu sehr auf die Fehler seiner Gegner vertrauen und noch über zu wenige unterschiedliche Defense- und Offense-Taktiken verfügen.
Die Absicht bei der EM 2015 Gold zu holen und bei der WM 2016 das Halbfinale zu erreichen, verfolgen auch andere Nationalteams mit starken Programmen. Die deutschen Junioren streben bereits in diesem Jahr bei der Junioren-WM in Lecco eine Medaille an, nachdem sie 2010 und 2012 jeweils Vierte waren. Auch das Juniorenteam unternimmt einiges, um sich athletisch und taktisch weiterzuentwickeln, unter anderem unterstützt von Athletiktrainern von Ultimate Performance (http://www.ultimateperformance.de). Zudem wird „Bad Skid“ bereits in diesem Jahr bei der Club-WM ebenfalls in Lecco zeigen können, wo sie im weltweiten Vergleich stehen.
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