post Kategorie: Sportpolitik post Kommentare deaktiviert für Corona-Verantwortungs-Geschacher im Sport post23. Mai 2020

Bei der Diskussion um Lockerungen der Kontakteinschränkungen infolge der Corona 19-Pandemie spaltet sich nicht nur die Gesellschaft in Befürworter*innen und Skeptiker*innen. Sondern auch die Verantwortung für die Umsetzung wird „nach unten durchgereicht“.

Außer Frage steht: Egal, welchem Lager jede und jeder einzelne sich zurechnet – „die Lockerungen kommen zu früh“ oder „die Lockerungen müssten noch weitreichender sein“ – wir alle haben in dieser Krise verantwortlich zu handeln. Das tun wir alle mehr oder weniger konsequent und mehr oder weniger überzeugt.

In der Ausgabe 3-2020 des LSB NRW-Magazins „Wir im Sport“ schreiben Vorstandsvorsitzender Dr. Christoph Nießen und die Vorstände Ilja Waßenhoven und Martin Wonik einen Kommentar zur „neuen Normalität“ im Sport. Ihnen ist zu Gute zu halten, dass sie selbst die Überschrift mit einem Fragezeichen versehen. Weniger Verkehr auf den Straßen und mehr Videokonferenzen bei der Arbeit würden bereits nach wenigen Wochen als normal empfunden. Die zum Coronaschutz geltende Abstandsregelung könne unter Menschen aber nicht als normal empfunden werden. So weit Zustimmung.

Um „die große Lücke, die ohne Vereinsleben entsteht“, zu schließen, habe sich der LSB NRW „mit Nachdruck dafür eingesetzt, dem Vereinssport wenigstens einen vorsichtigen Wiedereinstieg in seine Arbeit zu ermöglichen“. Hier werde ich sehr hellhörig. Denn die Öffnung von Sporthallen – bei der nicht beherrschbaren Gefahr durch Aerosole-Infektionen (s. diesen Beitrag in der SZ und diesen Beitrag in der FAZ) und die ab dem 30. Mai 2020 in NRW in Aussicht gestellte Erlaubnis von Vollkontakt– und Wettbewerbssport  (auf der Seite des LSB NRW bereits etwas zurückgenommen) halte ich gelinde gesagt für sehr unvorsichtig!

Im letzten Abschnitt des Kommentars findet jedoch eine aus meiner Sicht sonderbare Verdrehung einer Argumentation statt. Niemand könne „alle jetzt entstehenden Fragen mit absoluter Gewissheit beantworten“. Daher sei „eigenverantwortliches Handeln gefragt“. Da die Vereine seit jeher Verantwortung übernähmen, seien sie „für die Krise gut gerüstet“. Viele hätten schon vor den Lockerungen ausgefeilte Pläne zur Wiederaufnahme des Sports zugesandt. Dafür hätten sie keine Verordnungen oder Anweisungen von oben gebraucht.

Moment!

Geht es nicht genau darum, die Corona-Schutzverordnung seines jeweiligen Bundeslandes genau zu befolgen? Und darin steht auch, dass Ordnungswidrigkeiten in diesem Zusammenhang mit Strafen von bis zu 25.000 Euro belegt werden können. [Übrigens: Schon das Titelbild des Magazins mit dem Titel „Das neue Normal“ entspricht nicht den geltenden Abstandsregelungen.] Läge es dagegen nicht gerade in der Verantwortung der Landessportbünde, größtmögliche Vorsicht walten zu lassen, wenn Unsicherheiten hinsichtlich des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung bestehen?

Meine Wahrnehmung der Situation ist dagegen eher, dass…

  • …die zuständigen Bünde alle Verantwortung nach unten durchreichen und die Sportvereine mit vielen Fragen und Unsicherheiten alleine lassen (Anzahl Teilnehmende, Mindestabstand, Information, Dokumentation und Kontrolle aller Anforderungen, etc.pp.)
  • …die Vereine nur mit einem erheblichen Zeitaufwand und professioneller Hilfe entsprechende Schutzkonzepte aufstellen und umsetzen können. Das ist im Ehrenamt so gut wie nicht zu leisten.
  • … die in fast allen Bundesländern fallen gelassene numerische Begrenzung von Trainings-Kleingruppen geradezu kontraproduktiv für die Eindämmung des Corona-Virus ist (selbst der DOSB hat die Richtgröße von maximal 5 Personen klammheimlich gestrichen, siehe die Links und die Grafiken hier, diese gilt aktuell nur noch in Bayern und im Saarland).
  • …die insbesondere in NRW geplante Öffnung von Sport in Hallen sowie von Sport unter Vollkontakt und im Wettkampfbetrieb unverantwortlich ist.

Um mich nicht falsch zu verstehen: Wir scheuen in unserem Sportverein DJK Wiking Köln die Verantwortung nicht! Wir haben mit unserem Vereinsvorstand in tagelanger Kleinarbeit ein Corona-Schutzkonzept für Sport im Freien aufgestellt. Das hat uns einige Kopfschmerzen bereitet. Mehrere Telefonate mit vermeintlich zuständigen Institutionen halfen uns dabei nur wenig. Daher erscheint mir der abschließende Satz des Kommentars des LSB NRW-Vorstands etwas unpassend:

„Lassen Sie uns die neue Normalität des Sports Schritt für Schritt gemeinsam und verantwortlich gestalten.“

Ich möchte noch einmal deutlich sagen: Wir befinden uns momentan ebenso weit weg von einer neuen Normalität wie von der Zulassung eines Impfstoffes gegen das Corona-Virus. Das zeigen die jüngsten neuen Einzelfälle einer Verbreitung des Virus durch Aerosole in geschlossenen Räumen deutlich. Verantwortung hätte aus meiner Sicht bedeutet, nicht den quengelnden 30 Prozent der Bevölkerung nachzugeben, sondern ihren Gesundheitsschutz an erster Stelle stehen zu lassen.

Im Kölner Wochenspiegel vom 22.5.2020 steht auf Seite 1 im Beitrag „Der Vereinssport kann vorsichtig starten“ ein Zitat des Kölner Dezernenten für Bildung, Sport und Jugend, Robert Voigtsberger:

„Verständlicherweise wollen die Kölner Sportvereine ihren Mitgliedern nach der langen Durststrecke schnellstmöglich wieder das Training im gewohnten Umfang ermöglichen.“

Dieselben Missverständnisse zeigen sich hier erneut:

  1. Nicht die Vereine machen Druck, sondern einige ungeduldige und zum Teil uneinsichtige Menschen. Im Gegenzug geraten die Sportvereine durch die weitgehenden Lockerungen und dabei viele Unklarheiten unter Handlungsdruck, auch in der Konkurrenz zu benachbarten Vereinen.
  2. Die lange Durststrecke ist noch lange nicht vorüber. Viele haben offenbar vergessen, dass es noch im April dauernd hieß: Dies ist kein Sprint, dies ist ein Marathon.
  3. An ein Training im gewohnten Umfang ist noch lange nicht zu denken. Vor allem, wenn wir unserer Verantwortung gerecht werden wollen.

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