post Kategorie: Spirit of the Game post Kommentare (3) post6. Mai 2013

Die Geschichte des Frisbeesports ist eine Kommunikation voller Missverständnisse: Nein, es ist kein Sport mit Hunden. Nein, man wirft nicht nur hin und her. Und nein, es ist keine Sportart nur für Studenten oder Hippies. Vielmehr handelt es sich bei Ultimate Frisbee um einen breiten- und leistungs-orientierten Teamsport, der sich besonders gut für Schulen eignet. Hier beginnen auf Vereinsebene aber bereits die Herausforderungen.

Die erste Herausforderung ist, Schul-Vereins-Kooperationen zum Laufen zu bringen. Der Bedarf dazu ist zweifellos vorhanden, im Rahmen von offenen (Grundschulen) und gebundenen Ganztagsangeboten (weiterführende Schulen). Allerdings sind die Bedingungen dafür in jedem Bundesland unterschiedlich und ich sehe dazu folgende Voraussetzungen:

– eine bezahlte Übungsleiterstelle (idealerweise über einen Topf finanziert)
– die Person zu finden, die diese Stelle wenigstens auf ein halbes Jahr regelmäßig ausfüllt
– der Wille zur Vereinbarung auf höchster Ebene der Schule (Rektor) und des Vereins (Geschäftsführung)
– die gemeinsame Ausarbeitung der Rahmenbedingungen zum Wohle beider Institutionen, aber vor allem zum Wohle der Kinder und Jugendlichen

Wenn das alles gegeben ist, ist die Frage, wie „ansteckend“ die Sportart sein kann. Der Multiplikationseffekt ist im Bereich von Kindern und Jugendlichen sehr hoch,
– wenn das Angebot der Altersgruppe angemessen ist,
– wenn der Übungsleiter gut ankommt
– und wenn die Zusatzanreize stimmen. Mit Zusatzanreizen meine ich im Fall von Ultimate Frisbee den Bildungsaspekt, der im Ultimate durch die Selbstregulierung gegeben ist (es handelt sich um ein Konzept der Streitschlichtung, das auf externe Schiedsrichter verzichtet), den Aspekt der Genderarbeit, der gerade im gemischt geschlechtlichen Spiel die Positionierung von Jungen und Mädchen untereinander begünstigt, und andere Dinge mehr (Wettkampfanreize, Anreiz des Kennenlernens des Vereinslebens, außersportliche Aktivitäten, etc.).

Mit dem „Mixed Gender Play“ ist aber gerade im Kindesalter gelegentlich auch ein gewisses Ausschlusskriterium verbunden. Es bilden sich bei Mädchen und Jungen unter 14 Jahren sehr schnell geschlechtsspezifische Gruppen, die bei einem Übergewicht des einen Geschlechts zum „Ausbluten“ des anderen führen können. Daher ist dann eine weiterführende Frage, ob in den verschiedenen Altersklassen doch eher geschlechtsspezifische Übungsgruppen eingerichtet werden sollten. Mein Gefühl spricht eher dagegen. Es IST eine Herausforderung, aber genau diese sollten wir meistern. Im Schulunterricht können und müssen Mädchen und Jungen auch zusammenspielen.

Eine weitere Herausforderung ist diejenige, die ich im ersten Absatz erwähnt habe: Die Unterscheidung zwischen Breitensport und Leistungssport. Gerade in Zeiten, da der Frisbeesport an Schulen und Vereinen nur vereinzelt angeboten wird, halte ich es für eine sehr wichtige Vorgabe, möglichst alle interessierten Kinder „mitzunehmen“ und ihnen über den Sport Perspektiven aufzuzeigen. Etwas weniger bewegliche Kinder haben häufig stattdessen eine sehr gute Wurftechnik und eignen sich eher für den „Aufbau“ im Angriff. Dennoch steht außer Frage, dass für den Laufsport eine Laufbereitschaft vorhanden sein muss. Doch solange die kritische Masse nicht groß genug ist, um in einzelnen Altersklassen unterschiedliche Angebote für Breitensport- und Leistungssport-Gruppen aufzustellen, ist für mich „Breitensport“ die gebotene Devise!

Ein Beispiel ist die in Gründung befindliche Junioren Ultimate-Liga NRW. Die wenigen Teams, die es in NRW auf Vereinsebene in den Altersklassen U14 und U17 gibt, sollen mehr Spielpraxis erhalten. Gleichzeititg sollen die Kinder und Jugendlichen überhaupt mit dem Wettkampfgedanken vertraut gemacht werden, ohne sie jedoch abzuschrecken. Dazu eignet sich der „Spirit of the Game“-Gedanke des Sportes Ultimate sehr, der Anstand, Respekt, Zuhören und Ehrlichkeit betont. Gleichzeitig wird dadurch vermittelt, dass gewinnen nicht alles ist. Ein „Spirit“-Preis pro Turnier soll als mindestens ebenso wichtig angesehen werden!

Ein anderes Beispiel ist der Vergleich mit den Verhältnissen in den USA. Dies hat jüngst erst der US-Coach und-Spieler Xthen Titcomb im Interview mit dem Blog Die Sideline verdeutlicht:  „So lange es nicht gelingt, Ultimate ernsthaft in Schulen und Universitäten zu verankern, wird Deutschland einfach die Masse an Spielern fehlen, über die Länder wie die USA und auch Kanada verfügen. Dann wird es schwer, langfristig große Fortschritte zu machen.“ Von den Universitäten kommt in Deutschland der größte Zulauf. Aber ich sehe auch das Problem, dass die wenigsten 20-Jährigen in Deutschland bereits über mehrere Jahre Spielerfahrung verfügen, wie das in den USA oft der Fall ist. Dann würden wir auch in den Senioren-Teams keine 30- oder 35-jährigen Spieler mehr benötigen.

Interessant , dass jedoch zwei Schweizer Teamverantwortliche für die U23-WM, Open-Captain Caspar Müller und Coach Luca Miglioretto, im Podcast für die U23-WM 2013 in Toronto, die deutsche Jugendarbeit hoch loben (deren Epizentrum jedoch nach wie vor die Region Heilbronn mit dem aktuell zweifachen Meisterteam „Bad Skid“ an der Spitze ist – ab Minute 7:30). Immerhin haben die deutschen U23-Männer und die U23-Mixer bei der Erstauflage vor drei Jahre zweimal Bronze gewonnen!

Hurra..es gibt bislang 3 Kommentare ;)

#1

Zuletzt habe ich mich über den Ausgang beider Finals sehr gefreut: Im Open-Finale setzte sich der breitere und jüngere Kader zweier homogener, hoch athletischer Teams auf Augenhöhe durch, “Bad Skid” konnte nach zwei Punkten Rückstand zur Halbzeit seinen ersten Titel des Vorjahres mit einem verdienten 15:12 verteidigen. Bei den Frauen – nachdem die beiden Finalistinnen des Vorjahres (die “Heidees” und die Rekord-Serienmeisterinnen der “Woodchicas”) auf den Plätzen 4 und 5 landeten – ging es zwischen “JinX” Berlin und den “DOMinas” Köln dramatisch zur Sache. Über weite Strecken hochklassig bot das Spiel tolle Scheibentechnik, Luftkämpfe, wechselnde Führungen und zuletzt einen denkbar knappen Sieg der Kölnerinnen im “Universe Point” 13:12. Die Kölner Club- und Frauen-Nationaltrainerin Sara Wickström meinte: “Die Spielerinnen haben Charakter gezeigt.” Dem kann ich nur zustimmen, große Gratulation!

Lenny Singleton geschrieben am 8. Mai 2013 - 10:45
#2

Lenny, Lenny, ich denk noch, wie kann der nur die Finale der Ultimate-DM 2012 genau so beschreiben, wie ich sie erlebt habe? Na klar, weil das mal ganz gepflegt ein vollständig abgekupferter Abschnitt ist, s. http://www.frisbee-sport.de/teambuilding/persoenliche-eindruecke-der-32-ultimate-dm.html. Der Fake-Lenny, dieser Schelm!

Jörg Benner geschrieben am 8. Mai 2013 - 13:53
#3

Marco: Ehrlich gesagt habe ich Beckum nur im Finale spielen sehen und war wirklich sehr überrascht. Technisch anspruchsvolle Würfe, schöne Catches, wenige Turnover. Ein absolut verdienter deutscher Meister! Man kann durchaus sagen, dass das Niveau bei der kompletten U14 mehr und mehr zunimmt. Ich glaube, dass der größte Vorteil der U14 ist, dass immer mehr Mannschaften versuchen Kindern immer früher den Umgang mit Scheiben beizubringen. Bestes Beispiel ist Leipzig, die mit 8-jährigen antreten. Es ist schön zu sehen, was man in dem Alter schon leisten kann!

Marquis Simon geschrieben am 11. Mai 2013 - 01:41
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