post Kategorie: Spirit of the Game,Teambuilding post Kommentare (7) post26. November 2013

EYUC2013_Verhandlung_GBR-FRA-Junior-OpenDer Teamsport Ultimate Frisbee hat eine 45-jährige Tradition. Dabei entspringt der Umstand, dass er von den Spielern eigenverantwortlich geleitet, eher einem Zufall. In den ersten Regeln von 1968 stand, dass die Sportler selbst als Schiedsrichter agieren sollen, sofern sonst keiner verfügbar ist.

Dieses Prinzip hat sich seitdem verselbstständigt, ist in Paragraf 1 des internationalen Regelwerks unter dem Stichwort „Spirit of the Game“ (SotG) verankert und wird bis hin zu nationalen und internationalen Meisterschaften gewahrt. Oft wird gesagt, im Ultimate Frisbee gebe es keinen Schiedsrichter. Das ist falsch. Richtig hingegen ist: Es gibt keinen externen Schiedsrichter.

Vielmehr stehen die Spieler selbst in der Verantwortung, den Fortgang des Spiels zu gewährleisten. Dazu heißt es im ersten Paragrafen des Ultimate-Regelwerks, Unterpunkt 1:

„Alle Spieler sind selbst dafür verantwortlich, die Regeln zu befolgen und ihre Einhaltung zu überwachen. Ultimate beruht auf dem Spirit of the Game, der die Verantwortung des Fair Plays jedem Spieler überträgt.“

Fairplay gemäß altehrwürdigem „Spirit of the Game“

SOTG-Grafik“Spirit of the Game” ist ein Begriff, der bereits 1744 in den ersten 13 Regeln des Golfspiels auftaucht, aufgestellt von den schottischen „Gentleman Golfers of Leith“. Erst 2004 wurde der SotG in den internationalen Golf-Regeln mit Begriffen wie Ehrlichkeit, Rücksichtnahme Höflichkeit und Sportsgeist definiert.

In den Regeln von Ultimate Frisbee werden die Werte der Ehrlichkeit, der Objektivität, des respektvollen Umgangs miteinander und der Selbstkontrolle betont. So steht im Unterpunkt 3 des Ultimate-Regelparagrafen 1 (Auszug):

„Spieler sollen sich bei jeder Meinungsverschiedenheit der Tatsache bewusst sein, dass sie selbst als Schiedsrichter agieren. Dazu müssen sie die Regeln kennen, fair eingestellt und objektiv sein, die Wahrheit sagen, ihren Standpunkt kurz und klar darstellen, den Gegnern eine vernünftige Chance geben sich zu äußern sowie Unstimmigkeiten schnellstmöglich lösen und dabei eine respektvolle Sprache benutzen.“

Regelkenntnis als Voraussetzung

Fairplay-Grundlagen-VergleichDem herkömmlichen Golfsport und den gängigsten Frisbeesportarten Ultimate Frisbee, Disc Golf und Freestyle Frisbee ist gemeinsam, dass sie weitgehend ohne externe Schiedsrichter gespielt werden. Die Turnierdirektion ist jeweils nur dafür zuständig, die korrekten Abläufe (wie Spielberechtigung, Spielplan und Einhalten von Zeiten) zu gewährleisten.

Damit ein Spiel ohne externen Schiedsrichter funktionieren kann, ist Regelkenntnis die Voraussetzung. Natürlich wird von Anfängern nicht erwartet, dass sie von vorne herein alle 20 Regelparagrafen mit ihren zahlreichen Bestimmungen auswendig kennen. Die Regelkenntnis stellt sich nach und nach ein. Sie ist ein Teil des Spirit of the Game, wie auch umgekehrt der SotG ein Teil der Regelkenntnis ist. Für Nationalspieler besteht übrigens die Pflicht, beim Weltverband einen Nachweis über die Regelkenntnis zu erbringen.

Mündige Spieler müssen den Mund aufmachen

EYUC2013_Check_FRA-ITA-Junior-WomenWie funktioniert die Anwendung in der Praxis? Beim Teamsport Ultimate Frisbee geht es darum, durch Zupassen zu versuchen die Frisbeescheibe in der gegnerischen Endzone zu fangen und dadurch einen Punkt zu erzielen. Wer fängt, bleibt stehen und darf nur einen Sternschritt ausführen (wie im Basketball), alle anderen dürfen sich frei bewegen. Fällt die Scheibe auf den Boden, fliegt ins Aus oder wird abgefangen oder abgeschlagen, wechseln sofort Scheibenbesitz und Angriffsrichtung. Bei jeder Aktion, dem Werfen, dem Freilaufen und dem Fangen, sind gewöhnlich immer zwei Spieler beteiligt.

Wenn ein Spieler nun eine Regelverletzung erkennt, muss er unmittelbar und laut einen entsprechenden Ruf zur Unterbrechung des Spiels abgeben. Typische so genannte „Freeze Calls“ sind „Foul“, „Out“ (der erste Bodenkontakt des fangenden Spielers), „Down“ (wenn die Scheibe vor dem Fangen den Boden berührte) und andere mehr. Diese Rufe sollen durch ein entsprechendes Handzeichen unterstützend dargestellt werden. Dadurch hält das Spiel an und alle Spieler müssen warten, wie die Unterbrechung aufgelöst wird.

Unstimmigkeiten schnellstmöglich lösen

EYUC2013_Spiritkreis_SWE-BEL-Junior-OpenHier taucht ein weiteres Vorurteil auf: Oft heißt es, diese Unstimmigkeiten würden zwischen den Spielern ausdiskutiert. Das ist zwar schon vorgekommen. Gemäß Regeln sind solche Situationen jedoch „schnellstmöglich“ zu lösen (§ 1.3.6), gemäß Vorgabe des Weltverbandes innerhalb von einer halben Minute. Das Verfahren betrifft nur die beiden an einer Situation Beteiligten und läuft ab wie folgt: Erst schildert derjenige, der das Spiel unterbrach, seine Sicht der Situation, anschließend der Gegenspieler. Können sich beide nicht auf eine Sichtweise einigen, dann geht die Scheibe zurück zum vorigen Werfer. Können sie sich einigen, spielen sie an Ort und Stelle weiter.

Wichtige Bestandteile der Bestimmungen zum Spirit of the Game im Ultimate sind der Umstand, dass die Mannschaften als „Bewahrer des Spirits“ gelten (§ 1.7.1: „Die Mannschaften müssen Verantwortung übernehmen, um den eigenen Spielern die Regeln und den Spirit zu vermitteln.“), dass fortgeschrittene Spieler Anfängern helfen sollen (§ 1.8.: „Wenn ein Anfänger aus Unwissen eine Regel verletzt, sind erfahrene Spieler verpflichtet, die Regelverletzung zu erklären.“) und dass andere Mitspieler und Außenstehende nicht eingreifen sollen (§ 1.10). Dies erfordert Zurückhaltung auch des Publikums. Weiter heißt es dort:

„Zur Klärung von Regelfragen sowie bei Calls bezüglich Linien und „Down“ können Spieler Nichtspieler nach ihrer Sicht fragen.“

Spiritkreis und Spiritpreise

Nur in wenigen Sportarten ist das Fairplay in die Regeln hineingeschrieben. Die Besonderheit der Ultimate-Regeln wird bereits in der Einleitung präzisiert: „Der Ehrenkodex des Spirit of the Game gibt den Spielern vor, wie sie das Spiel selbst regeln und wie sie sich auf dem Feld verhalten.“ Diese konkrete Handlungsebene macht den Paragrafen 1 des Ultimate-Regelwerks zu einem Unikum in der Sammlung aller Sport-Regelwerke. In seinen Unterpunkten 5 und 6 sind beispielhafte Handlungen genannt, die ihrer Natur gemäß dem Spirit of the Game entsprechen oder dies nicht tun. Zudem wird festgehalten (§ 1.4):

„Hoher kämpferischer Einsatz wird zwar gefördert, darf aber niemals auf Kosten des gegenseitigen Respekts, des Festhaltens an den vereinbarten Spielregeln oder der Freude am Spiel gehen.“

Am Ende eines Spiels stellen sich beide Teams gewöhnlich in einem großen Kreis auf (dem so genannten „Spirit Circle“), um die sportlichen Leistungen und das Verhalten der Gegner Revue passieren zu lassen. Zur Überprüfung der Fair­play-Haltung werden nicht nur bei Meisterschaftsturnieren gegenseitig „Spirit-Bewertungsbögen“ ausgefüllt. Dasjenige Team mit den im Durchschnitt besten Werten erhält den begehrten Spiritpreis. Aber auch dabei geht es nicht nur um den Gewinn. Vielmehr erhalten die Teams fortlaufend ein ehrliches Feedback zu Ihrem Verhalten, das ihnen ermöglicht sich punktuell weiter zu verbessern.

Hurra..es gibt bislang 7 Kommentare ;)

#1

[…] in ein Regelwerk gezwängt, über das er jedoch hinausweist. Der Widerspruch könnte auch lauten (wie schon an anderer Stelle bemerkt): Die Regelkenntnis ist ein Teil des Spirit of the Game, wie umgekehrt auch der SotG ein Teil der […]

Führungsqualität anstelle von Folgsamkeit | Reizwort geschrieben am 9. Dezember 2013 - 19:20
#2

[…] auch noch ein Zeichen für Eigenverantwortung, Respekt und Ehrlichkeit setzen, die mit der Ausübung der Frisbeesportarten verbunden sind. Was aber dürfte der Bundestag für diese Scheiben ausgegeben haben? Vermutlich […]

#3

[…] Regeln vorgeben. Dies ist für mich am besten im Frisbeesport gegeben, wo vor allem im Teamsport Ultimate Frisbee ein Handlungskonzept zur Anwendung kommt, dass sich bis hin zu den konkreten Verhaltensweisen unter gegenerischen […]

Appell für Werte im Sport | Reizwort geschrieben am 1. Januar 2014 - 17:31
#4

[…] (von cardo, lateinisch = Türangel, das worum, sich alles dreht) als Analogie zur Praxis der Selbstregulierung im Frisbeesport herangezogen. Inwieweit kommen aber die aus der Antike gekannten Kardinaltugenden […]

Kardinaltugenden im Frisbeesport | Reizwort geschrieben am 12. Januar 2014 - 11:37
#5

[…] c: Ich denke sogar, dass die geforderte Eigenverantwortung das größte Alleinstellungsmerkmal ist, das der Sport neben vielfachen reizvollen sportlichen […]

#6

[…] ich diesen interessanten Aspekten denjenigen des Teamsports Ultimate Frisbee hinzufügen, der ohne externen Schiedsrichter funktioniert. Das entscheidende Merkmal der Regelanwendung ist hier wie zwei Beteiligte mit unterschiedlichen […]

Nicht alle Entscheidungen brechen Regeln | Reizwort geschrieben am 24. Februar 2014 - 10:47
#7

[…] wie das Spielgeschehen bei strittigen Situationen fortgesetzt werden soll. Dazu wurde schon viel geschrieben und es gibt fraglos Potenziale der weiteren Verbesserung. Auch die Regeln von WFDF und USAU stimmen […]

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