post Kategorie: Spirit of the Game post Kommentare (2) post13. Januar 2013

In der Vergangenheit habe ich hier einige Beiträge gepostet – über 1) die Entwicklung von professionellen Ultimate-Ligen zum Teil mit Schiedsrichtern in den USA, 2) über die Diskussion des Weltverbandes, ob Ultimate ohne den Spirit of the Game derselbe Sport ist, 3) zu Spielbeobachtern (Observer) und Handzeichen und ihren Funktionen sowie 4) zum 6 Jahres-Strategieplan von USA Ultimate, der den SOTG als einen zentralen Punkt benennt.

Zuletzt hatte Charlie Eisenhood in seinem Rückblick auf 2012 auf ultiworld.com behauptet, der SOTG würde bedeutungslos. Der Spirit of the Game ist als oberste Regel im Ultimate eine Handlungskonzept, wie wir miteinander im Streifall umgehen. Insofern sehe ich nun größeren Handlungsbedarf als je zuvor.

Die Handlungsfelder, die ich auf der Grundlage der ausgeführten Themen und der dazu geführten Diskussionen ausmache, sind ein stärker Fokus auf die vorgelebte Verantwortung in der Entwicklung des Sports. Damit spreche ich viele verschiedene Aktionsgruppen an:

  • lokal Kinder und Jugendliche an die Hand nehmen und ihnen im Zusammenhang mit dem Frisbeesport die Dimension der Verantwortung verständlich machen
  • regional Turniere anbieten – auch für Kinder und Jugendliche – damit junge Spielerinnen und Spieler, als auch ihre Trainer einen stärkeren Austausch pflegen
  • auf Landesebene die für eine in Deutschland nötige Anerkennung Landes-Frisbeesportverbände aus der Taufe heben und Landesmeisterschaften ausrichten
  • national Ausbildungsmaterial für Jugendliche entwickeln und produzieren, das die Eigenverantwortung als roten Faden thematisiert, dazu das Material für eine Trainerausbildung Ultimate analog zur C-Lizenz
  • international den Austausch mit anderen Verbänden pflegen, um aus guten und weniger guten Initiativen in anderen Ländern zu lernen, doppelte und dreifache Arbeit zu vermeiden und die zum Teil voneinander abweichenden Auffassungen eigenverantwortlicher Spielweise zu diskutieren

1) Um zu den Ausgangspunkten zurückzukommen, so habe ich kein Problem damit, wenn sich in den USA professionelle Ultimate-Ligen gründen. Die kritische Masse dafür ist in Nordamerika zweifellos gegeben. Aber ich verstehe nicht, warum manche dieser Investoren meinen, dass sie den ohne Schiedsrichter millionenfach bewährten Sport mit einem Schiri anderen Sportarten angleichen müssen. Es ist schlicht widersinnig, das erprobte Alleinstellungsmerkmal aufzugeben, nur damit die Zuschauer den Sport schneller begreifen.

2) Wenn ich die Diskussion auf der Jahreshauptversammlung 2012 des Flugscheiben-Weltverbandes WFDF auf den Punkt bringen sollte, bin ich davon zutiefst überzeugt: „Ja, Ultimate ohne SOTG ist nicht mehr Ultimate“. Was wir auf den Youtube-Videos der ersten AUDL-Saison sehen können, sind Spieler, die damit beginnen vor dem Schiedsrichter Theater zu spielen, um Gerechtigkeit anzuflehen. Wenn teilnehmende Spieler argumentieren, dass sie sich durch den Einsatz von Schiedsrichtern besser „ganz aufs Spielen“ konzentrieren könnten, dann haben sie nach meiner Überzeugung das Spiel nicht ganz verstanden.

3) Mit meiner Auffassung, dass Spielbeobachter (so genannte Observer), die vor allem das Geschehen gegenüber dem Publikum verständlich machen, nicht den Anfang vom Ende bedeuten, stehe ich in Deutschland weitgehend alleine. Mein Problem mit dem großartigen Sport Ultimate ist, dass er sich neuen Zuschauern ohne Kommentar quasi gar nicht vermittelt. Wenn ein mündiger Spieler den Mund aufmacht, um eine zweifelhafte Handlung zu monieren („Freeze Call“), dann bekommen das schon Spieler am anderen Ende des Feldes teilweise nicht mit, geschweige denn das Publikum. Daher glaube ich, dass die international entwickelten Handzeichen eine gute Zusatzinformation und eine Bereicherung der Spielkultur darstellen würden. Observer werden in den USA übrigens bereits seit den frühen 1980er Jahren eingesetzt.

4) Der nationale Verband USA Ultimate hat im Rahmen seines 6-Jahres Strategieplans das Ziel benannt, den SOTG für heutige Spieler greifbar zu machen („to make real“). Das klingt nicht schlecht, aber leider wenig greifbar, was Charlie Eisenhood in seiner Besprechung bereits zu der Behauptung brachte, mit der Zunahme des Wettbewerbs könnte ein Überdenken der Definition des Terms nötig werden. Dazu halte ich fest, dass ich mir erstens genau diese Herausforderung wünsche, dass es meinetwegen um Geld gehen soll, um dann nach wie vor das beste Verhalten auf dem Platz zu zeigen, und dass ich zweitens eine Neudefinition für unnötig halte. Vielleicht sind manche Erklärungen zu kompliziert, andere zu wortreich (wie dieser Beitrag)?

Aber wenn ich nun zuletzt die Behauptung von Charlie Eisenhood höre, 2012 habe gezeigt, dass der SOTG in den USA bedeutungslos würde, weil vor allem viele junge Spieler nach Observern und nach Schiris riefen, dann ist meine Schlussfolgerung: Da läuft in vielen Clubs gehörig was schief! Und genau da muss das Lehrmaterial ansetzen, das wir allerorten benötigen. Wer nach Schiris ruft, übersieht, dass die Verantwortung mich gut zu benehmen, immer bei mir selbst liegt.

Ich bin davon überzeugt, dass der Bedarf an neuartigem, unserem Sport angemessenen Lehrmaterial weltweit riesig ist! Zugegeben, in vielen Spielen läuft etwas schief, die Kommunikation ist nicht immer gut, das Verfahren wird nicht immer richtig angewandt. Aber nur dumme Leute glauben, dass wenn keine Bestrafung vorgesehen ist, die Regeln beliebig verbogen werden können. Für solche Fälle sind „Spirit Time Outs” im Spiel vorgesehen und dringend zu empfehlen. Und wenn nicht wir von vorne herein darauf hinweisen, wie es laufen sollte, dann müssen wir uns nicht wundern, wenn es nicht funktioniert.

Die Basis des SOTGs ist für mich nach wie vor wechselseitiger Respekt, der auch unter Adrenalin Zuhören ermöglicht und die Einstellung zu Grunde legt, es gibt keine Wahrheiten, sondern immer nur zwei Sichtweisen auf eine Situation. Dazu besteht ein probates Verfahren, wie die Handlungsfähigkeit wieder hergestellt wird: Wird in einer strittigen Situation in Kürze keine Einigung erzielt, geht die Scheibe zurück zum vorherigen Werfer. Zudem sollte der Siegeswille niemals die Freude am Spiel beeinträchtigen.

Der WFDF hat jüngst eine online-Lizenzierung einzelner Ultimate-Spieler eingeführt. Vielleicht ein Schritt in die richtige Richtung. Diese theoretisch erworbene Prüfung müsste nach praktischen Verstößen auch wieder abzunehmen sein. Für mich bedeutet der Sport Ultimate mit seinem Handlungskonzept des SOTG jedoch mehr als nur ein Sport. Er eignet sich als Grundlage für Einheiten im So-Wi-Unterricht und für Management-Seminare zu lateraler Führung. Doch es bestehen zahlreiche Schwierigkeiten bei der Bestimmung, wann der richtige Zeitpunkt ist, um das Handlungskonzept einzuführen (der niederländische Junioren-Nationalcoach Hans Krens hat mich auf mehrere dieser Punkte hingewiesen):

  • Kindern und Jugendlichen sagt dieses Konzept zuerst einmal nichts, selbst wenn sie bereits einen anderen Sport ausgeübt haben.
  • Im Gegenteil: Bestrafung ist uns zur zweiten Natur geworden.
  • Anfänger haben gewöhnlich mit den besonderen Herausforderungen der Scheibentechnik, der Taktik und der Laufwege sehr viel zu tun.
  • Weit mehr als die Hälfte aller Leute, die einmal auf ein Turnier gehen, sind für ihr ganzes Leben beeinflusst. Weil der Sport bereits neben dem SOTG so viel anzubieten hat.
  • Vielleicht können erst Fortgeschrittene das Ausmaß der Besonderheit dieses Handlungskonzeptes begreifen, wenn sie bereits vom Sport begeistert sind.

Hurra..es gibt bislang 2 Kommentare ;)

#1

[…] als Geschäftsführer des Deutschen Frisbeesport-Verbandes. Hier der Text, der von der aktuellen Diskussion zum Spirit of the Game über meine Hypothese zur außersportlichen Bedeutung unserer Disziplinen bis hin zur Perspektive, […]

#2

[…] Sportart, die ich kenne, hat das Fairplay-Verhalten als “Spirit of the Game” zu einem Handlungskonzept ausgearbeitet. Das ist Ultimate Frisbee. Hier erläutert einer der Gründerväter des Sports, Dan […]

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